Wolff'sches Gesetz: Die Form folgt der Funktion
Das Wolff'sche Gesetz beschreibt eine Erkenntnis der Orthopädie zum Knochenaufbau: "Die Form folgt der Funktion". Diese Aussage ist eine der Grundlagen zum Verständnis des Knochens. Einfach erklärt:
- Wenn der Knochen belastet wird, baut er sich auf - wenn der Knochen keine Belastung erfährt, baut er sich ab. Er folgt in seiner Form der Funktion, d.h. der Knochen passt sich an die an ihn gestellten Anforderungen an.
- Das Wolff'sche Gesetz begründet auch die Bedeutung von körperlicher Aktivität, von Bewegung und Belastung bei Osteoporose (und zur Vorbeugung). Diese Regel gilt unabhängig von Alter oder Krankheit.
Sehr gut erkennen lässt sich dies, wenn man nach einem Knochen-Längsschnitt die Kraftlinien im Knochen sieht - die » Trabekel wachsen in Richtung der Trajektorien. Trajektorien (ein Begriff aus der Physik, der aber auch in der Medizin genutzt wird) beschreiben die Kraft- bzw. Spannungslinien im Inneren des Knochens, an denen sich die Knochenbälkchen ausrichten. Diese Ausrichtung sorgt für eine maximale Stabilität des Knochens gegenüber Druck-, Zug- und Drehkräften. Durch die Orientierung und den Knochenumbau der Knochenbälkchen in Richtung der größten Druck- und Zugspannungen und Einsparungen von Material an wenig belasteten Stellen ergibt sich optimale Stabilität bei minimalen Materialaufwand. Fazit: Wird der Knochen wiederholt in einer » bestimmten Richtung belastet, baut er sich in dieser Richtung auf.
Mechanostat - Kraft und Knochen
In den 60er Jahren wurde das Mechanostat-Modell als Ergänzung bzw. Fortführung zum Wolff'schen Gesetz entwickelt. Das Modell beschreibt den Knochenumbau (bone remodeling) in Abhängigkeit und den auf den Knochen einwirkenden Kräften. Bestimmend für den Knochenumbau ist danach die elastische Verformung des Knochens. Der Knochen passt sich - wie es Julius Wolff beschrieben hat -, an seine mechanische Funktion an. Das Modell von Harold Frost (Utah Paradigm of Skeletal Physiology) präzisiert die auf den Knochen aufgreifenden Kräfte und ihre Wirkung. Danach kann man vier Belastungs-Bereiche unterscheiden, die eine Auswirkung auf die Knochenfestigkeit haben:
- Abbau > Stabilität wird abgebaut, circa 800 μStrain
- Erhalt des Zustandes > Stabilität bleibt unverändert, ca. 800-1500 μStrain
- Impuls-Belastung > Stabilität wird vergrößert, circa 1500 μStrain
- Fraktur > Bruchgrenze, der Knochen bricht, circa 15.000 μStrain
Belastung und Bewegung
Viele Menschen setzen Belastung und Bewegung gleich. Das ist falsch - falsch oder zumindest nicht sinnvoll, wenn es um die Therapie des Knochens geht. Entscheidend ist immer wie viel Kraft sie aufwenden müssen, um sich zu bewegen - entscheidend ist die Kraft, die auf den Knochen einwirkt. So gesund und richtig Bewegung allgemein auch ist, wenn wir von Therapie reden, ist mit der Bewegung immer die Frage nach der Belastung verbunden.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Ein Astronaut im schwerelosen Zustand im Weltall kann sich ohne viel Kraft bewegen. Schwerelos ist man immer dann, wenn man sich ohne Einwirken von Schwerkraft bewegen kann. Durch die Schwerelosigkeit bedingt, bedarf es also für den Astronauten dabei aber (fast) keiner Belastung, keiner Kraft. Die Folge für die Knochen - die, wie wir oben gelesen haben, ja Belastung brauchen: ein Schwund von Knochen und Muskulatur, etwa rund 10 % im Monat. Im Monat!
Daher sollte man Belastung und Bewegung nicht gleichsetzen.
Diese Tatsache hat gerade auch für die Therapie der Osteoporose Konsequenzen, da durch geeignetes Training, welches die benötigten Kräfte zur Stimulation des Knochenwachstums erzeugt, entgegengewirkt werden kann. Beispielsweise durch das
» Vibrationstraining [vergl. auch » Mechanostat Modell Wikipedia]
Dynamische Kraftimpulse
Für den Knochenaufbau förderlich sind dynamische Übungen mit Krafteinsatz, ein Ausdauer-orientiertes Training (z.B. Laufen, Radfahren, Schwimmen) hat keinen (oder wenig) Einfluss auf die Knochenbildung, da die auftretenden Kraftspitzen zu gering sind, so Prof. Dr. Dieter Felsenberg, Charité, Berlin. Es kommt also auf die dynamischen Kraftimpulse an, die den Knochenaufbau unterstützen: auf das wiederholte Be- und Entlasten.
Viel hilft viel? Bei Osteoporose nicht immer...
Dass dynamische Kraftimpulse entscheidend sind, ist auch ein Forschungsergebniss welches sich in den letzten beiden Jahrzehnten durchgesetzt hat. Dabei geht es nicht darum, dass viel Kraft auch viel hilft. Im Gegenteil - zumindest bei Osteoporose. Das Risiko dem Knochen durch Überlastung während des Trainings eine Fraktur zuzufügen, ist in dem grundlgeneden Mechanostat-Modell nämlich nur unzureichend oder nicht berücksichtigt - was für junge trainierte Sportler mit gesundem Knochen gilt, muss nicht zwingend auf ältere Osteoporose-Betroffene übertragbar sein!
Neuere Forschungsansätze der lt. zwei Jahrzehnte (z.B. der » Stony Brook University New York) arbeiten mit hohen Wiederholungszyklen und kleinen Kräften. Und erzielen dabei sehr gute Ergebnisse. Und die sind auch auf den osteoporotischen Knochen anwendbar. Wir zeigen wo und wie - neuere Methoden des » Vibrationstrainings berücksichtigen dies.