Vibrationstherapie aus Sicht eines Fitness Trainers

In vielen Fitnessstudios sieht man Trainierende auf Vibrationsplatten stehen. Der Boden bebt und die Beine der Sportler wackeln. Doch was genau bringt diese des Trainings? Wieso nehmen Vibrationsplatten gerade im Bereich der Prophylaxe und Rehabilitation immer mehr an Bedeutung zu? Und welche Rolle spielen sie speziell bei Osteoporose?

Wozu dienen Vibrationsplatten?

Vibrationstraining wird seit einigen Jahren zunehmend als ergänzende Methode in der Therapie von Osteoporose diskutiert. Besonders in der Prävention sowie bei bereits eingetretener Erkrankung kann es helfen, muskuläre Defizite auszugleichen, das Sturzrisiko zu senken und sogar den Knochenstoffwechsel zu stimulieren. Vibrationstraining ist also definitiv nicht nur ein Trend. Im folgenden Artikel erfährst du, wie Vibrationsplatten bei Osteoporose wirken und auch für wen sie geeignet sind.

Was Sie wissen sollten

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Tipp: für die meisten Leser erschließt sich der Sinn dieser Stellungnahmen erst, wenn Sie den Text zum  » Vibrationstraining gelesen haben, er bildet die Basis.

Vibrationstherapie bei Osteoporose

Vibrationstherapie beschreibt den gezielten Einsatz mechanischer Schwingungen über eine Vibrationsplatte, auf der die betroffene Person steht oder Übungen durchführt. Dabei werden sehr feine Impulse über die Fußsohlen durch den gesamten Körper geleitet. Entscheidend für die Wirkung auf den Knochen ist dabei nicht die Intensität der Schwingung, sondern ihre Frequenz – also die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde.

Für Osteoporose Patienten ist vor allem die Form des „Low intensity vibration“ Trainings sinnvoll. Hierbei werden kleinere Amplituden (<1mm) und dafür hohe Frequenzen (25-35 Hz) verwendet. Das Training erlaubt einen gezielten Reiz zu setzen ohne eine zu starke Belastung auf die Knochen und Gelenke auszuüben.

Physiologischer Hintergrund: Warum der Knochen auf Vibration reagiert

Knochen ist lebendiges Gewebe. Er passt sich – ähnlich wie Muskulatur – an die Belastung an, der er ausgesetzt ist. Dieses Prinzip nennt sich "mechanotransduction" und beschreibt die Umwandlung mechanischer Reize in zelluläre Signale. Werden bestimmte Zellen im Knochen (Osteozyten) durch mechanische Impulse stimuliert, senden sie Botenstoffe aus, die den Aufbau neuer Knochensubstanz einleiten.

Vibrationen erzeugen solche Mikrobelastungen in hoher Frequenz, die zwar keine große Krafteinwirkung erfordern, aber durch ihre Wiederholung eine starke biologische Wirkung entfalten. Gerade bei osteoporotischem Gewebe, das auf klassische Kraftreize nur eingeschränkt reagieren kann oder durch Frakturen geschont werden muss, ist diese sanfte Form der Stimulation besonders geeignet.

Zwei Hauptwirkungen lassen sich durch Vibrationsplatten also beobachten

  • Zum einen führt die Vibration zu unwillkürlicher Muskelanspannung. Die Muskeln ziehen am Knochen, was in diesem einen Wachstumsreiz auslöst.
  • Zum anderen führen die schnell hintereinander ablaufenden Aufprallbelastungen durch die vibrierende Platte selbst zu einem Reiz auf den Knochenstoffwechsel. Die Kraft des Aufpralls wird über das Skelett übertragen und entfacht Signale zur Steigerung der Knochendichte

Sicherheit

Vibrationstraining gilt bei richtiger Anwendung als sichere Trainingsform auch für ältere Menschen oder bereits osteoporotisch Erkrankte. Voraussetzung ist jedoch eine fachkundige Anleitung sowie die Verwendung geeigneter Geräte. Die Anwendung kann sowohl in physiotherapeutischen Einrichtungen als auch im betreuten Training unter Aufsicht von Sporttherapeut:innen erfolgen. Es gibt außerdem bestimmte Faktoren, bei denen ein Vibrationstraining nicht empfohlen wird:
 

  • Akute Frakturen
  • Akute Thrombose
  • Schwere kardiovaskuläre Ereignisse
  • Schwere Arthrose
  • Herzschrittmacher
  • Endoprothesen

Studien belegen die Wirkung

Fitnesstrainer und Physiotherapeuten erkennen zunehmend die Vorteile von Vibrationstraining. Es kann ergänzend zu klassischem Krafttraining eingesetzt werden und zeigt in zahlreichen randomisierten, kontrollierten Studien selbst als alleinige Therapieform bei Osteoporose eine positive Wirkung auf den Knochenstoffwechsel und die Knochendichte. 2004 wurde in einer Untersuchung (Verschueren et al.) gezeigt, dass postmenopausale Frauen eine signifikante Zunahme der Knochendichte an der Hüfte aufweisen, wenn sie ein Jahr Vibrationstraining durchführten. Und nicht nur die Knochendichte verbessert sich, sondern auch die Muskelkraft steigte in älteren Frauen durch Vibrationstraining an (Gusi et al. 2006). Aufgrund der Kraftübertragung aus der Platte durch das Skelett werden allerdings nicht nur die Beine und Hüfte gestärkt (Lau et al. 2011). Auch die Knochendichte der Wirbelsäule nimmt zu und Langzeitstudien belegen sogar positive Effekte auf die Balance (von Stengel & Kemmler 2010). Somit kann ein einfaches Training nicht nur bei der Therapie helfen, sondern unterstützt sogar die Sturzprophylaxe und verhindert neue Frakturen.

Worauf bei der Anwendung zu achten ist

• Frequenzen zwischen 25 und 35 Hz gelten als optimal für die Knochenstimulation.
• Die Amplitude sollte möglichst gering (<1 mm) und die Beschleunigung niedrig sein.
• Die Trainingsposition ist entscheidend: Leicht gebeugte Knie, aufrechter Stand, gute Führung durch geschultes Personal oder klare Anleitung.
• Bei akuten Frakturen, Thrombosen, Herzrhythmusstörungen oder starker Osteoporose ist eine vorherige ärztliche Abklärung Pflicht.

Fazit: Sanft, effektiv, sinnvoll – ein Baustein im Gesamtkonzept

Die Vibrationstherapie ist keine Wundermethode – aber sie ist ein wirksamer Baustein im multimodalen Therapiekonzept bei Osteoporose. Als Sportler und auch Wissenschaftler sehe ich ihre große Stärke vor allem in der Praxistauglichkeit: Sie holt Menschen dort ab, wo andere Trainingsformen nicht umsetzbar sind. Sie motiviert durch einfache Anwendung und liefert dennoch messbare Effekte auf Knochengesundheit und Bewegungssicherheit.
Für viele meiner Klientinnen ist sie genau der Impuls, den sie brauchen, um trotz Einschränkungen aktiv zu bleiben. Entscheidend ist jedoch: Vibrationstraining sollte optimalerweise nicht isoliert angewendet werden, sondern immer eingebettet in ein ganzheitliches Programm aus Bewegung, Ernährung und medizinischer Begleitung erfolgen.

Autor: Christian Koutny
M.Sc. Nutrition and Biomedicine, ehem. Hochschuldozent für Trainingslehre & Ernährungswissenschaft, Personal Trainer und Osteoporose-Experte