Untersuchungen belegen, dass in Deutschland ein hoher Prozentsatz der erwachsenen Bevölkerung einen zu niedrigen Vitamin-D-Spiegel aufweist. Dabei erfüllt Vitamin-D ganz wesentliche Funktionen für die Gesunderhaltung des Menschen – zum Beispiel können bei einem Mangel an Vitamin D osteoporotische Frakturen im Alter und sogar erhöhte Sterblichkeit die Folge sein. Es besteht daher dringender Handlungsbedarf, die Vitamin-D-Versorgung in Deutschland zu verbessern.
Allgemeines zu Vitamin-D
Vitamin-D nimmt unter den Vitaminen eine Sonderstellung ein. Es wird nicht nur über Lebensmittel aufgenommen, der Mensch kann es auch selber in der Haut synthetisieren. Voraussetzung hierfür ist jedoch die Exposition der Haut gegenüber der ultravioletten B- (UVB)-Strahlung der Sonne (290 bis 315 nm). Der UVB-Anteil der Sonnenstrahlung ist allerdings abhängig von der geographischen Lage. Ab einem Breitengrad von 42° N (entspricht z.B. der Lage von Barcelona) und weiter nördlich erreicht die UVB-Strahlung der Sonne von November bis Februar und ab einer geographischen Lage von 52° N (entspricht z.B. der Lage von Berlin) von Oktober bis März die Erdoberfläche nicht. Somit kann in diesen Regionen 4 bis 6 Monate lang kein Vitamin-D in der Haut gebildet werden. Deutschland liegt zwischen dem 48. und 54. Breitengrad, d.h. die Vitamin D-Synthese ist hier über einen Zeitraum von 5 bis 6 ½ Monaten im Jahr nicht möglich. Im Sommer können bei einer Ganzkörperexposition der Haut mit UVB-Strahlung täglich 250 µg Vitamin-D gebildet werden. Diese Menge wird bereits nach einer halben Stunde erreicht und erhöht sich danach nicht mehr.
Der Vitamin-D-Gehalt in Lebensmitteln ist sehr gering. In Deutschland liegt die tägliche Vitamin-D-Zufuhr laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung bei Kindern lediglich bei 1 bis 2 µg und bei Jugendlichen und Erwachsenen bei 2-4 µg [1]. Nur wenige Fettfische wie Aal, Lachs und Hering weisen nennenswerte Mengen an Vitamin-D auf (vergl. Tabelle 1, siehe unten). In manchen Ländern wie den USA, nicht jedoch in Deutschland, wird zur Verbesserung der Versorgungslage bereits seit Jahrzehnten die Konsummilch mit Vitamin-D (10 µg pro 0,95 Liter) angereichert. Die Referenzwerte des nordamerikanischen Institute of Medicine (IOM) für die tägliche Vitamin-D-Zufuhr betragen je nach Altersgruppe 10 bis 20 µg pro Tag (Tabelle 2, siehe unten). Von den Ernährungsgesellschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz wurden Anfang des Jahres 2012 neue Referenzwerte für die tägliche Vitamin-D-Zufuhr veröffentlicht. Demnach soll die Aufnahme bei fehlender Hautsynthese 20 µg betragen. Es wird explizit darauf hingewiesen, dass die Vitamin-D-Zufuhr über die Ernährung mit den üblichen Lebensmitteln nicht ausreicht, um eine angemessene Zufuhr bei fehlender endogener Synthese zu erreichen. Es wird deshalb empfohlen, die Differenz zwischen alimentärer Zufuhr und dem Referenzwert durch die Einnahme eines Vitamin-D-Präparats zu decken.
Vitamin-D-Synthese
Grundsätzlich kann das im Sommerhalbjahr gebildete Vitamin-D im Fettgewebe und in der Muskulatur gespeichert und im Winterhalbjahr mobilisiert werden. Bei Personen, die sich im Sommer regelmäßig im Freien aufhalten, reicht dies möglicherweise aus, um im Winter einen Vitamin D-Mangel zu vermeiden. Verschiedene Risikofaktoren führen jedoch dazu, dass auch im Sommerhalbjahr die Vitamin-D-Synthese häufig nicht ausreichend ist. Hierzu zählen die tägliche Arbeit im Büro, Freizeitaktivitäten am Computer und Fernseher, die Verwendung von Sonnenschutzcremes bei Aufenthalt im Freien , bestimmte religiös bedingte Kleidervorschriften sowie die Migration dunkelhäutiger Personen in nördliche Regionen. Wenig bekannt ist, dass auch Tagescremes nicht selten einen UV-Schutzfaktor von 8 bis 20 aufweisen, wodurch die Vitamin-D-Synthese der Haut um 95 bis 99 Prozent reduziert wird. Eine besondere Risikogruppe für die Vitamin-D-Versorgung stellen Senioren dar, die das Haus selten verlassen oder in Pflegeheimen leben.
Natürlicher Vitamin-D-Gehalt
Tabelle 1: Natürlicher Vitamin-D-Gehalt ausgewählter Lebensmittel pro 100 Gramm essbarem Anteil in Mikrogramm und internationalen Einheiten (I.E.)
Mikrogramm
I.E.
Fisch, Lachs, frisch
16,3
652
Fisch, Hering, frisch
26,0
1040
Fisch, Aal, geräuchert
22,0
880
Fisch, Sardine, in Öl
4,0
160
Butter
1,2
50
Eier
1,2
117
Vollmilch
0,2
7
Rinder, Leber
1,0
40
Pilze, Shiitake, frisch
2,0
80
Pilze, Champignons
1,9
78
Früchte (Apfel, Orange, Banane)
0,0
0
Gemüse (Broccoli, Spinat, Tomate, Karotte)
0,0
0
Referenzwerte Vitamin-D
Tabelle 2: Referenzwert des Institute of Medicine (IOM, ref.2) sowie D-A-CH-Schätzwerte für die tägliche Vitamin-D-Aufnahme in Abhängigkeit vom Alter, Angaben in Mikrogramm pro Tag, (in Klammern internationalen Einheiten pro Tag)
IOM
Referenzwerte
D-A-CH
Schätzwerte
Säuglinge, 0 - 6 Monate
10 (400)
10 (400)
Säuglinge, 6 - 12 Monate
10 (400)
10 (400)
1 - 3 Jahre
15 (600)
20 (800)
4 - 8 Jahre
15 (600)
20 (800)
9 - 13 Jahre
15 (600)
20 (800)
14 - 18 Jahre
15 (600)
20 (800)
19 - 30 Jahre
15 (600)
20 (800)
31 - 50 Jahre
15 (600)
20 (800)
51 - 70 Jahre
15 (600)
20 (800)
71 Jahre und älter
20 (600)
20 (800)
Schwangere/Stillende,
14 - 18 Jahre
15 (600)
20 (800)
Vitamin-D Versorgungslage in Deutschland
Die Versorgungslage mit Vitamin-D kann am besten durch die Messung des 25-Hydroxyvitamin-D- (25[OH]D)-Spiegels im Blut erfasst werden. Es handelt sich hierbei um das erste Hydroxylierungsprodukt des Vitamin-D im menschlichen Organismus (mit Hydroxilierung wird eine chemische Reaktion beschrieben, durch die OH-Gruppen in ein Molekül eingeführt werden). Dieser Schritt findet in der Leber statt, nachdem das Vitamin-D vorher in der Haut gebildet oder mit der Nahrung aufgenommen wurde. Die Hydroxylierung in der Leber unterliegt keiner strengen Regulation. In einer weiteren Hydroxylierungsreaktion in der Niere wird dann das eigentliche Vitamin-D-Hormon, das 1,25-Dihydroxyvitamin-D (1,25[OH]2D), gebildet. Im Vitamin-D-Mangel fällt nicht nur der Gehalt an 25(OH)D im Blut ab, sondern auch der Gehalt an 1,25(OH)2D.
Das Institute of Medicine hat Grenzwerte zur Beurteilung der Vitamin-D-Versorgung anhand der 25(OH)D-Spiegel herausgegeben (Abbildung 1). Demnach stellen Blutspiegel unter 12 ng/ml ein Risiko für ein Defizit dar, Werte zwischen 12 und 20ng/ml sind als inadäquat beziehungsweise insuffizient anzusehen und Werte zwischen 20 und 50 ng/ml als adäquat, d.h. bedarfsdeckend. Bei Werten über 50 ng/ml seien nach derzeitigem Kenntnisstand potentiell schädliche Wirkungen nicht mit Sicherheit auszuschließen. Allerdings ist der obere Grenzwert derzeit Gegenstand intensiver Diskussionen. Eine Reihe von Vitamin-D-Forschern [3] sehen Werte bis zu 80 bis 100 ng/ml als sicher an und den unteren Zielwert für eine adäquate Versorgung bei 30 bis 40 ng/ml.
Bei Erwachsenen mit regelmäßigem Aufenthalt im Freien sinkt in Mitteleuropa der oben erwähnte 25(OH)D-Blutspiegel im Winter auf die Hälfte des Sommerwertes ab. Mehrere große repräsentative Erhebungen haben gezeigt, dass in Deutschland insgesamt ein hoher Prozentsatz der erwachsenen Bevölkerung eine insuffiziente und ca. 15 Prozent sogar eine defizitäre Vitamin-D-Versorgung aufweisen (Tabelle 3). Bei Kindern und Jugendlichen sehen die Ergebnisse ähnlich schlecht aus, wenn nach dem 1. bis 2. Lebensjahr die Rachitisprophylaxe mit Vitamin-D beendet wird. Besonders ungünstig ist die Situation bei Mädchen mit Migrationshintergrund sowie auch bei Patienten. Hier weisen zum Teil über 30 Prozent eine defizitäre Versorgung auf.
Abb 1: Stadien der Vitamin-D-Versorgung anhand des 25-Hydroxyvitamin-D-Spiegels
Vitamin-D und Osteoporose
Basierend auf Krankenkassendaten wurde errechnet, dass im Jahre 2003 in Deutschland 7,8 Millionen Menschen (1,3 Millionen Männer und 6,5 Millionen Frauen) unter einer manifesten Osteoporose litten. Jährlich werden in Deutschland etwa 130.000 Patienten aufgrund von Osteoporose-bedingten Femurfrakturen behandelt. Die direkten Kosten der Osteoporose belaufen sich in Deutschland auf jährlich ca. 5,4 Milliarden Euro. Es kann davon ausgegangen werden, dass ohne adäquate Prävention bis zu 50 Prozent der Frauen und mehr als 20 Prozent der Männer über 50 Jahre in ihrer verbleibenden Lebenszeit eine osteoporotische Fraktur erleiden werden. In der Schweiz litten laut Bericht "Osteoporose und Stürze im Alter" des Gesundheitsministeriums im Jahr 2000 über 300.000 Personen unter einer Osteoporose, wovon 75 bis 83 Prozent Frauen waren. Bis zum Jahr 2020 wird die Anzahl an Osteoporosepatienten vermutlich um 25 bis 26 Prozent ansteigen. Hierbei spielt im Wesentlichen die demographische Entwicklung eine Rolle. In Europa sind 17,4 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre und älter. Deutschland ist eines der Länder mit der ältesten Bevölkerungsstruktur: 20,7 Prozent sind 60 Jahre und älter. Prognosen zufolge steigt der Anteil bis zum Jahr 2050 auf über 30 Prozent an. Auch weltweit ist mit einer alternden Bevölkerung zu rechnen. Während der Anteil der über 60-Jährigen im Jahre 2000 noch 10 Prozent betrug, prognostizieren die Vereinten Nationen für das Jahr 2050 einen entsprechenden Anteil von 21 Prozent.
Vitamin-D kann auf vielfältige Weise das Risiko für osteoporotische Frakturen im Alter reduzieren. Es steigert die im Darm die Aufnahme von Calcium und Phosphor. Ohne Vitamin-D werden nur 10 Prozent bis 15 Prozent des Nahrungscalciums und etwa 60 Prozent des Phosphors absorbiert. Vitamin-D steigert die Effizienz der Calciumausnutzung auf 30 bis 40 Prozent und die Ausnutzung der mit der Nahrung zugeführten Menge an Phosphor auf ca. 80 Prozent. Von daher hat Vitamin-D eine Schlüsselrolle für die Knochenmineralisation. Hierzu ist auch eine adäquate orale Calcium-Zufuhr von Bedeutung. Erklärt werden kann die Bedeutung von Vitamin-D und Calcium dadurch, dass beide Nährstoffe spezifische Rezeptoren im Knochen aktivieren, wodurch die Gewebevermehrung sowie die Kollagensynthese der Prä-Osteoblasten, also der Vorstufe der knochenbildenden Zellen, gesteigert wird. Anschließend fördert Vitamin-D durch eine Rezeptor-vermittelte Reaktion die Differenzierung der Osteoblasten, indem es zur Reifung des Knochengrundgerüsts und dessen Mineralisation beiträgt.
Niedrige 25(OH)D-Konzentrationen sind für die Knochengesundheit aus verschiedenen Gründen schädlich. Zum einen ist dann die Reifung der Osteoblasten, d.h. der Knochen-bildenden Zellen, gestört. Zusätzlich kommt es auch häufig zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus, das heißt es wird in den Nebenschilddrüsen zu viel Parathormon produziert. Grund hierfür ist, dass im Vitamin-D-Mangel die Calciumaufnahme aus dem Darm unzureichend ist. Folglich sinkt auch der Blutspiegel an Calcium ab und der Körper versucht gegenzusteuern indem er Calcium aus dem Knochen mobilisiert. Hohe Parathormonspiegel erhöhen wiederum die Aktivität der Knochensubstanz-abbauenden Osteoklasten – was somit letztlich zu einem Knochenabbau führt.
Wichtig ist auch, dass ausreichend Vitamin-D das Risiko einer Muskelschwäche und das Miteinander von Nerven und Muskulatur verbessert. Dies äußert sich unter anderem dadurch, dass sich die Muskelkraft durch Vitamin-D verbessert und Gleichgewichtsstörungen minimiert werden. Auf diese Weise wird auch das Sturzrisiko reduziert.
Bei einer Auswertung verschiedener Beobachtungsstudien [7] ergab sich, dass Patienten, die sich in der Gruppe mit den niedrigsten 25(OH)D-Konzentrationen befanden, ein um 34 Prozent höheres Frakturrisiko hatten als Patienten der Gruppe mit den höchsten 25(OH)D-Konzentrationen. Diese epidemiologischen Daten werden im Wesentlichen durch eine Meta-Analyse von randomisierten kontrollierten Studien8 bestätigt. Die Meta-Analyse kam zu dem Schluss, dass bei Personen, die 65 Jahre oder älter sind, etwa 20 Prozent der Nicht-Wirbelkörperfrakturen verhindert werden kann, wenn 25(OH)D-Spiegel von mindestens 30 bis 32 ng/ml erreicht werden. Hervorzuheben ist hierbei, dass im Gegensatz zu anderen Meta-Analysen bei dieser Meta-Analyse auch die Adhärenz der Patienten berücksichtigt wurde. Dies bedeutet, dass die Datenauswertung unter Beachtung der von den Patienten tatsächlich aufgenommenen Menge an Vitamin-D erfolgte und nicht nur im Hinblick auf die in der Studie verordnete Menge an Vitamin-D.
Da in Mitteleuropa die Vitamin-D-Versorgung häufig unzureichend ist, muss in der Regel eine Vitamin-D-Zufuhr von täglich mindestens 15 bis 20 µg (600 bis 800 internationale Einheiten) erfolgen, um die angestrebten Zielwerte (siehe oben) im Blut zu erreichen. Generell ist zu berücksichtigen, dass es bereits in jungen Jahren notwendig ist, eine möglichst hohe Knochenmasse aufzubauen und damit zur Optimierung der Knochengesundheit beizutragen. Hierzu zählt auch eine adäquate Vitamin-D-Versorgung. Patienten mit Osteoporose empfiehlt der Dachverband Osteologie die Einnahme von 20 bis 50 µg (800 bis 2.000 internationale Einheiten) Vitamin-D3 täglich oder eine gleichwertige Dosis in mehrwöchigen Zeitabständen. Eine adäquate tägliche Calcium-Zufuhr (1.000 mg) sollte ebenfalls gewährleistet sein. Allerdings sollte die tägliche Gesamtzufuhr an Calcium (Zufuhr über Nahrung und Supplemente) 1.500 mg nicht überschreiten, da eine überhöhte Calcium-Zufuhr zu einem vermehrten Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse (Herzinfarkt, Notwendigkeit von Revaskularisierungen) führen kann.
Von besonderer Bedeutung ist eine adäquate orale Vitamin-D-Versorgung bei Heimbewohnern. Sie sind besonders Osteoporose-gefährdet. Aufgrund fehlender Vitamin-D-Synthese in der Haut weisen sie meist eine besonders schlechte Vitamin-D-Versorgung auf. Darüber hinaus liegt auch die mittlere tägliche Calcium-Zufuhr aufgrund geringer Nahrungsaufnahme in der Regel deutlich unterhalb der Zufuhrempfehlung von 1.000 mg.
Erhöhte Sterblichkeit
Zunehmend gibt es auch Hinweise, dass ein Vitamin-D-Defizit einen Einfluss auf die Sterblichkeit hat, unabhängig von dem Risiko einen Knochenbruch zu erleiden. Im Jahre 2007 veröffentlichten Autier und Gandini9 eine Meta-Analyse von randomisierten kontrollierten Studien zum Thema Vitamin-D und Gesamtmoralität. Die Ergebnisse basieren auf Daten von mehr als 57.000 Personen sowie auf fast 5.000 Todesfällen im Untersuchungszeitraum. Es wurde deutlich, dass das Risiko zu versterben während des Untersuchungszeitraums, der im Mittel 5,7 Jahre betrug, bei Personen mit Vitamin-D-Supplementierung um 8 Prozent niedriger lag als ohne Vitamin-D-Supplementierung. Die tägliche Vitamin-D-Gabe betrug hierbei meist 10 bis 20 µg (400 bis 800 internationale Einheiten). Bei den Studien, in denen die 25(OH)D-Konzentrationen gemessen wurden, lagen diese zu Studienbeginn bei 8.8 bis 18.8 ng/ml und stiegen unter Vitamin-D-Gabe auf 24.8 bis 42.0 ng/ml an. Eine weitere Meta-Analyse10, die zum selben Thema durchgeführt wurde und auf Daten von 74.000 Personen beruhte, kam zu einem prinzipiell ähnlichen Ergebnis. So war bei Personen, die ein Vitamin-D3-Präparat erhielten, die Sterblichkeit im Untersuchungszeitraum im Mittel um 6 Prozent geringer als bei Personen, die kein Vitamin-D bekamen. Aus statistischer Sicht liegt der wahre Wert mit 95-prozentiger Sicherheit zwischen 2 Prozent und 9 Prozent Reduktion der Sterblichkeit. Bei jährlich ca. 850.000 Todesfällen in Deutschland bedeutet dies, dass durch Optimierung der Vitamin-D-Versorgung jährlich mindestens 17.000 vorzeitige Todesfälle vermeidbar wären, ein Wert der deutlich höher liegt als die Anzahl der jährlich im Straßenverkehr ums Leben kommenden Personen.
Vitamin-D und weitere Erkrankungen
Knochenfrakturen sind zwar sehr schmerzhaft, jedoch an sich nicht tödlich. Eine durch Vitamin-D-Mangel bedingte erhöhte Mortalitätsrate muss daher andere Ursachen haben, als dass hierdurch allein das Osteoporoserisiko gesteigert wird. Es mehren sich die Hinweise, dass ein Vitamin-D-Mangel das Risiko für solche chronischen Erkrankungen erhöht, die in der Todesstatistik von entwickelten Ländern ganz oben stehen. Hierzu zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bestimmte Tumore wie Dickdarmkrebs, Diabetes Mellitus und unter anderem auch Multiple Sklerose [11]. Mittlerweile wurden in praktisch allen Geweben des menschlichen Organismus Vitamin-D-Rezeptoren nachgewiesen. Dies deutet darauf hin, das Vitamin-D dort wichtige regulatorische Funktionen ausübt. Eine Vielzahl von protektiven Wirkungen des Vitamin-D gegenüber oben genannter Krankheiten ist mittlerweile nachgewiesen worden. Wie in Abbildung 2 (siehe unten) beispielhaft anhand des Zusammenhangs zwischen Vitamin-D-Status und dem Auftreten tödlicher kardiovaskulärer Ereignisse gezeigt wird, besteht ein erhöhtes Risiko insbesondere bei einem Vitamin-D-Defizit, das heißt 25(OH)D-Spiegel < 12 ng/ml.
Vitamin-D: Chancen durch Verbesserung der Versorgungslage
Es gibt überzeugende Belege dafür, dass durch eine Optimierung der Vitamin-D-Versorgung das Risiko für Nichtwirbelkörperfrakturen im Alter um 20 Prozent gesenkt werden kann. Allein diese Tatsache rechtfertigt es, in einer alternden Gesellschaft, in der die Prävalenz der Osteoporose in den nächsten Jahrzehnten noch zunehmen wird, Maßnahmen zur Bekämpfung des Vitamin-D-Mangels einzuleiten. Hinzu kommt, dass vermutlich auch die Gesamtmortalität durch eine Verbesserung der Vitamin-D-Versorgung im Alter reduziert werden kann. Möglicherweise ergeben sich somit durch eine effektive Vitamin-D-Substitution alleine in Deutschland Kosteneinsparungen im Gesundheitsbereich im zweistelligen Milliardenbereich (in €) [6]. Prioritäten sollten solche Maßnahmen haben, die Risikogruppen wie Alten- und Pflegeheimbewohner als Zielgruppe haben. Bei diesen Personen könnte durch tägliche orale Vitamin-D-Substitution in Höhe von 20 µg wahrscheinlich das Auftreten eines Vitamin-D-Defizits vermieden werden. Ebenfalls sollte eine verstärkte Aufklärung der Ärzteschaft über die Vitamin-D-Problematik sowie bezüglich Abhilfemaßnahmen erfolgen, da Patienten und hier wiederum vor allem auch ältere Patienten besonders häufig eine Vitamin-D-Versorgung im defizitären Bereich aufweisen. Besonderes Augenmerk sollte auch auf die Gruppe der Personen mit Migrationshintergrund gelegt werden.
Bisher fehlen überzeugende Belege, dass auch jüngere Erwachsene definitiv von einer Verbesserung der Vitamin-D-Versorgung profitieren. Allerdings mehren sich die Hinweise, dass eine adäquate Vitamin-D-Versorgung zum Beispiel das Risiko für Diabetes mellitus oder Multiple Sklerose reduziert [11]. Vor dem Hintergrund sowohl der IOM-Empfehlungen als auch der D-A-CH-Referenzwerte für die tägliche Vitamin-D-Zufuhr sollten auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern breitenwirksame Anreicherungsmaßnahmen von Lebensmitteln mit Vitamin-D erwogen werden, um so zumindest eine Basisversorgung mit Vitamin D in Höhe von 10 bis 15 µg täglich zu gewährleisten.
Fazit
Große Bevölkerungsteile in Deutschland weisen einen unzureichenden oder sogar defizitären Vitamin-D-Spiegel auf. Damit steigt insbesondere die Gefahr von Knochenfrakturen im Alter mit allen negativen Begleiterscheinungen für die Betroffenen und die Gesellschaft insgesamt. Studien belegen sogar einen Zusammenhang von Vitamin-D-Defizit und höherer Gesamtsterblichkeit. Aus diesen und weiteren, möglichen Konsequenzen eines Vitamin-D-Mangels muss man die Forderung aufstellen, in den nächsten 10 bis 15 Jahren in Mitteleuropa die Defizite in der Versorgung zu beheben. Dies sollte durch eine breitenwirksame Verbesserung der Vitamin-D-Zufuhr über entsprechende Lebensmittel und durch gezielte Vitamin-D-Substitution insbesondere bei bestimmten Risikogruppen erfolgen.