Folgenreiches Fehlverhalten von Jung bis Alt

Neben dem Faktor Bewegung kommt der Ernährung eine ganz entscheidende Bedeutung für die Knochengesundheit zu. Ein sorgfältig zusammengestellter Ernährungsplan ist der Schlüssel für den lebenslangen Erhalt von Gesundheit und Leistungskraft.

Erkrankungen des Bewegungsapparates, der Knochen und Muskeln und allen voran die Osteoporose sind Zivilisationskrankheiten, die sich zu echten Volkskrankheiten entwickelt haben. Neben der mangelnden Bewegung spielt die "Mangel- Ernährung" eine Hauptrolle. Obwohl in den Industrieländern ein Überfluss an Nahrungsmitteln zur Verfügung steht, haben sich die Ernährungsgewohnheiten so verändert, dass Mangelzustände in weiten Teilen der Bevölkerung schon an der Tagesordnung zu sein scheinen.

Fettreiche und stark salzhaltige Fertiggerichte verdrängen zunehmend selbst und frisch zubereitete abwechslungsreiche Speisen, überzuckerte Softdrinks locken mehr als ein Glas Milch, Mineralwasser oder frisch gepresste Fruchtsäfte. Junk-Food – in der wörtlichen Übersetzung "Abfall-Essen" ist in aller Munde. Sein einziger Vorteil ist, dass es schnell satt macht. Ansonsten zeichnet es sich nur durch zu viele "leere" Energie, gehärtete Fette, Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Zucker, Salz etc. aus. Das "Sahnehäubchen" auf dem Weg zu ernährungsbedingten Erkrankungen sind dann noch die so genannten "Genuss-Gifte" Alkohol, Nikotin und auch Koffein, wenn im Übermaß "genossen".

Ernährung und Knochenstoffwechsel

Das "Organ" Knochen unterliegt einem lebenslangen Auf- und Abbauprozess mit einem Zusammenspiel vieler Faktoren. Ein gesunder Knochen bedarf der Druck- und Zugstimulation, damit genügend Osteoblasten (knochenaufbauende Zellen) produziert werden (Faktor Bewegung), Calcium muss zur Verfügung stehen, damit die Mineralisation (Härtung) gewährleistet ist. Schädigende Einflüsse können die Vorläuferzellen der Osteoblasten in Mitleidenschaft ziehen, die Stammzellen können mit zunehmendem Alter ihre Fähigkeit zur Selbstregeneration einbüßen, oder zu fettreiche Ernährung produziert aus Stammzellen mehr Fett als Knochen- und Knorpelzellen. In jedem einzelnen Organ des Körpers, und damit auch im Knochen, sind bis zu 50 verschiedene Gene an ihrem Funktionsprozess beteiligt – und in jeder Phase störanfällig.

Faktor Calcium

Entscheidend für den Calcium-Spiegel ist nicht nur die mit der Nahrung aufgenommene oder substituierte Menge, sie stellt nur das "Angebot" dar. Vielmehr kommt es auf die Aufnahme, die Bioverfügbarkeit an. Calcium wird über die Darmwand in das Blut transportiert, aktiviert den "Calciumsensor" und löst notwendige hormonelle Veränderungen aus. Hauptakteur ist das Vitamin D, das in der Niere gebildet wird, sowie das Parathormon mit der Produktionsstätte Nebenschilddrüse. Darüber hinaus sind auch noch andere Faktoren wirksam, die den Calcium-Spiegel im Körper beeinflussen, bis heute kennt man schon mehr als 200. Dazu kommt eine genetische Komponente und auch der Bewegungsmangel spielt eine wichtige Rolle, wenn es um die Calcium-Verwertung geht.

Es ist schon einmal gelungen, eine Knochenkrankheit durch Nahrungssubstitution auszurotten: die Rachitis im Kindesalter durch die gezielte Gabe von Vitamin D. Inwieweit dies bei der Osteoporose möglich ist, bleibt zur Zeit noch Domäne intensiver Forschung. Tatsache ist aber, dass sich bei Osteoporose die Knochenbälkchen auflösen, weil der Organismus zur Aufrechterhaltung eines konstanten Calcium-Spiegels im Blut dieses verstärkt aus den Knochen herauslöst.

Faktor Knochenräuber

Auch wenn vermeintlich genügend Calcium-reiche Nahrungsmittel auf dem Speiseplan stehen, können "Knochenräuber" die verwertbare Calciummenge drastisch reduzieren.

"Sauer macht lustig", heißt ein bekannter Werbespruch, allerdings gilt das nicht für die Knochengesundheit. Ein Ungleichgewicht im Säure-Basenhaushalt des Körpers verursacht eine verstärkte Calciumausscheidung. Der Körper reagiert sauer auf: 

Tierisches Eiweiß: Studienergebnisse haben den eindeutigen Nachweis erbracht, dass ein hoher tierischer Eiweißkonsum (Fleisch und Wurst) das Frakturrisiko fast um das 4-fache erhöht. Aber auch ein extrem niedriger Eiweißkonsum, wie das z.B. bei Essstörungen der Fall ist, führt zu einer erhöhten Knochenresorption. Ein hoher Eiweißkonsum aus Pflanzenkost (z.B. Bohnen) oder Milchprodukten wirkt sich dagegen nicht negativ aus.

Phosphat: Bei normaler Ernährung beeinflusst Phosphat die Calciumbilanz des Körpers nicht negativ – das Verhältnis Calcium zu Phosphat von 1:2 sollte aber nicht überschritten werden. Ab der dreifachen Phosphormenge im Verhältnis zum Calcium kommt es zur verstärktem Calciumausschwemmung über die Niere. Besonders die beliebten Softdrinks (Cola und Limonaden) können bereits bei Kindern und Jugendlichen einen relativen Calciummangel verursachen. Bei Cola-Getränken sind neben dem hohen Phosphorgehalt auch das Coffein und der Säuregehalt für die knochenräuberische Interaktion verantwortlich.

Koffein: Kaffee kann die Calciumausscheidung über die Niere verstärken, allerdings müssen dabei Mengen von mehr als 250 ml Kaffee getrunken werden (ca. 3 Tassen). Darüber hinaus hat man festgestellt, dass ältere Menschen mit einem bestimmten Genotyp des Vitamin-D-Rezeptors auf verstärkten Kaffee- Konsum mit einem deutlichen Verlust an Knochenmasse von bis zu 8 Prozent pro Jahr reagieren.

Freie Radikale: Bis zu 20.000 Kontrollgänge laufen pro Zelle und pro Tag ab, damit sich geschädigte Zellen nicht vermehren (Krebs!). Zellschädiger sind u.a. reaktive Oxidanzien (Sauerstoffspezies). Wenn zu viele Oxidanzien im Blut kreisen, können die Anti-Oxidanzien (z.B. Vitamin C) die freien Radikale nicht mehr abwehren. Folge ist die Schädigung der DNS, der Erbinformation der Zelle. Das führt nicht nur zu Krebs, sondern kann auch den Stoffwechselprozess nachhaltig stören: Diabetes, Osteoporose und Alzheimer drohen.

Medikamente, Nikotin, Alkohol: Bestimmte Medikamente, allen voran das Cortison führen bei Dauereinnahme (länger als 6 Monate) zu einem deutlichen Knochenverlust. Aber auch regelmäßiges Rauchen und ein erhöhter Alkoholkonsum reduzieren im Laufe der Zeit die Knochenmasse drastisch.

Faktor Knochenfreund

Einer der ersten Schritte zu mehr (Knochen-)Gesundheit ist die Überprüfung der Ernährungsgewohnheiten – und da kann man gar nicht früh genug anfangen, denn was Hänschen nicht lernt, ist Hans schwierig beizubringen.

Dabei ist es oft gar nicht notwendig, radikal von einer Mahlzeit zur anderen alles ganz anders zu machen. Man muss weder auf die geliebte Pizza, noch den schmackhaften Döner (der zwar in der Fastfood-Liga spielt, aber dennoch weitgehend die Anforderungen an gesundes Essen erfüllen kann) verzichten, es kommt nur auf die Menge und die sonstige Ausgewogenheit an.

"Wir haben kein Todesgen", stellte Professor Cornel Sieber vom Institut für Biomedizin des Alterns der Universität Nürnberg/Erlangen bei einem Workshop des Instituts Danone Ernährung für Gesundheit e.V. (IDE) fest. "Das heißt auch, dass wir kein festgelegtes genetisches Programm für das Altern haben und durch unseren Lebensstil maßgeblich die Prozesse des Alterns beeinflussen können", lautet seine Erkenntnis.

Mit dem Altern verliert der Körper vor allem eines – Muskelmasse. Der schleichende Abbau beginnt bereits mit 30 und jenseits von 60 geht es steil bergab, es sei denn man wirkt ihm gezielt entgegen. Dazu gehört ein moderates Bewegungs- und ein adäquates Krafttraining. "Seichte Übungen für Senioren mit Tüchern haben wenig bis keinen Effekt", sagt Dr. Heinke Möllenhoff von der Universität Paderborn. Bei den Älteren sind auch Geschicklichkeitsübungen sinnvoll, um die häufig folgenreichen Stürze zu reduzieren oder ganz zu vermeiden.

Die Ernährung muss vor allem vielseitig sein – wobei die Qualität wichtiger ist als die Quantität. Besonders gut ist die Mediterrane Küche und zwar für alle Altersgruppen: viel Obst, Gemüse, Nudeln, Vollkornbrot, Fisch, Oliven und/ oder Rapsöl. Omega-3-Fettsäuren aus pflanzlichem oder Fischöl helfen, den Alterungsprozess zu reduzieren. Bestimmte Vitamine, allen voran die Vitamine C und E schützen vor freien Radikalen. Aber auch das sogenannte Functional Food, "funktionelle Lebensmittel" können die Gesundheit wirkungsvoll unterstützen. Prä- und Probiotika spielen eine große Rolle, das Immunsystem zu stärken und fit zu halten. Das Schreckgespenst vieler junger wie alter Junkfoodler, gesundes Essen würde bedeuten, einsam vor einem Blatt Salat zu sitzen und eine Handvoll Körner zwischen den Zähnen zu zermahlen, entspricht reiner Unkenntnis. Gesundes Essen ist ein Erlebnis für alle Sinne: Sehen, Riechen, Schmecken, Genießen. Schon das Frühstück bietet ungeahnte Möglichkeiten, die weit über die übliche Scheibe Brot mit Marmelade oder Wurst hinausgehen: Frische Früchte, Joghurt, Quark, Müsli, Frischkäse in allen Variationen, selbst gepresster Fruchtsaft und vielleicht statt Kaffee als Muntermacher grünen Tee. Besser lässt sich der Tag nicht beginnen. Ein solcher Energiekick vom Teller hält bis mittags vor und liefert dem Körper nahezu alles was er braucht.

Mit Fisch, Gemüse und Salaten, Nudeln und Obst am Mittag und einem leichten Abendessen, möglichst nicht nach 18 Uhr, lässt sich die Gesundernährung über den Tag fortsetzen. Gelegentliche "Ausrutscher" in Richtung "lecker aber ungesund" verzeiht der Körper dann schneller und leichter. Wer nicht ganz sicher ist, kann sich Hilfe über eine Vielzahl von fantastischen Kochbüchern und Ernährungsratgebern holen oder bei den Volkshochschulen und auch vielen Krankenkassen Kochkurse besuchen. Die gibt es auch schon für Kinder und natürlich für Senioren.

Essen macht Spaß, gesund Essen darüber hinaus auch noch fit und fröhlich. Diese Erkenntnis ist schon seit langer Zeit bekannt und um es mit den Worten des griechischen Schriftstellers Xenophon (430 - 354 v.Chr), einem Schüler Sokrates’ zu sagen: "Hör auf mit dem vielen Essen, dann wirst du angenehmer und gesünder leben!" Und im 18. Jahrhundert sagte der Schriftsteller Jean Anthelem Brillat-Savarin (1755- 1826), der u.a. ein Lehrbuch der Gastronomie und Tafelfreuden schrieb: "Diejenigen, die vernünftig essen, sind zehn Jahre jünger als jene, denen diese Wissenschaft fremd ist."