Sport und tägliche Bewegung trainieren den Gleichgewichtssinn, das Reaktionsvermögen, wirken Knochen aufbauend und reduzieren das Risiko fataler Stürze.
Viele Menschen leben gesundheitsbewusst, messen regelmäßig ihren Blutdruck, denken an Krebsvorsorge, überprüfen ihren Cholesterinspiegel und lassen sich auf Zucker testen. Nur über ihre Knochen zerbrechen sie sich den Kopf erst dann, wenn ein Bruch aus scheinbar heiterem Himmel über sie hereingebrochen ist. Dabei ist die Gleichung ganz einfach: Ohne Sturz kein Oberschenkelhalsbruch und ohne Oberschenkelhalsbruch wesentlich weniger Schmerzen, Leid, Invalidität und Pflegebedürftigkeit. Der Knochenräuber Osteoporose verursacht mehr Krankenhaustage als Herzinfarkt, Schlaganfall und Brustkrebs zusammen.
Knochenschwund ab 60 und häufig auch schon früher kann, muss aber nicht sein. Osteoporose ist eine der großen "Zivilisationskrankheiten", die unmittelbar mit der Lebensform in den Industrieländern in Zusammenhang steht. In den "armen" Ländern der Dritten Welt ist sie kaum bekannt, weil sich die Menschen dort naturgemäß viel mehr bewegen.
Bewegung ist der Schlüssel zu gesunden Knochen – unabhängig von Alter, Geschlecht, sozialem Status oder Trainingszustand. Auch wenn das mittlerweile bekannt ist, bewegen sich ältere Menschen – und nicht nur sie – viel zu wenig. Das Argument der Bewegungsmuffel beiderlei Geschlechts, dass man … "in unserem Alter …" unmöglich vom Sofa auf die Aschenbahn rennen könne, ist als Ausrede längst erkannt. Bewegung ist einfach gesprochen die Aneinanderreihung vieler kleiner Schritte. Wandern und Walken, Radfahren, Schwimmen, Tennis, Golf, Gymnastik und selbst Tanzen fördern die Ausdauer, trainieren den Gleichgewichtssinn, regen den Knochenstoffwechsel an und machen Spaß. Wer erst im Alter beginnt, Sport zu treiben, findet in Vereinen, beim Kreissportbund, den Volkshochschulen oder auch in vielen Fitness-Studios Anregung und Hilfestellung. Bei diesen Institutionen ist der Gruppenfaktor nicht zu unterschätzen. Bärbel Schöttler, 69, die Bundesturnwartin Ältere im Deutschen Turnerbund (DTB) in Frankfurt stellt dazu fest: "Wenn Ältere mit Sport beginnen, tun sie dies meist aus gesundheitlichen Gründen. Doch es ist nicht der gesundheitliche Aspekt, der die Senioren bei der Stange hält", erklärt Frau Schöttler. Vielmehr sind es die sozialen Kontakte, Freude an der Bewegung und die Beratung. Der DTB bietet z.B. auch Rückenschule, Übungen und Programme zur Osteoporose- Vorbeugung und ein gezieltes Muskel-Aufbautraining an.
Michael Brach, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Projekt "Bewegte Senioren" der Universität Bonn, sagt dazu: "Treppensteigen, Radfahren und Spazierengehen, also alltägliche Bewegungen, können schon viel zur körperlichen Fitness und zur Knochengesundheit beitragen. Die Füße als Fortbewegungsmittel zu benutzen, ist wichtig." Aber: In keiner Altersgruppe sind die Leistungsunterschiede so groß wie bei den über 60-Jährigen. Eine aktuelle Umfrage unter 1007 Deutschen hat ergeben, das sich immerhin jeder Zweite "topfit" fühlt sowie Bewegung und ein aktives Leben für jeden Dritten eine große Rolle spielen. Wiederum fast jeder Zweite dehnt die "Fitness" auch auf die Ernährung aus: 58 Prozent der über 60-Jährigen ernähren sich gesund und ausgewogen, bei den Teens und Twens zwischen 14 und 29 sind das "nur" 40 Prozent.
Mit Sicherheit gut Unterwegs
Erfreulich ist, wenn sich jeder Zweite topfit fühlt. Was aber ist mit der anderen Hälfte? Zwischen dem Wunsch nach Fitness und dem Weg dorthin steht häufig die Angst vor Stürzen.
Auch hier gibt es Zahlen, die aber dramatisch sind: Fast jeder Dritte über 65 stürzt mindestens einmal im Jahr. Dabei sind nicht besondere Situationen für den Sturz verantwortlich, sondern es sind die ganz normalen Alltagssituationen: Ein loser Teppich, ein herumliegendes Kabel, ein wackeliger Stuhl anstelle einer Leiter, Unaufmerksamkeit auf der Treppe, das Übersehen einer Stufe oder manchmal auch ein Schwindelgefühl. 150.000mal pro Jahr ist ein solcher Sturz die Ursache für einen Oberschenkelhalsbruch, häufig mit fatalen Folgen: Bei 50 Prozent bleiben Dauerschäden, 20 Prozent der Gestürzten bleiben für immer pflegebedürftig und ein Fünftel stirbt innerhalb eines Jahres an den Folgen des Bruchs. Dabei wäre es so einfach, dem gefährlichen Oberschenkelhalsbruch Paroli zu bieten.
Die erste Sofortmaßnahme ist die Beseitigung von Stolperfallen. Dazu gehört im übertragenen Sinne auch die Überprüfung der Sehstärke und ggf. die Anschaffung einer neuen Brille. Zu wenig Licht, besonders wenn Haustiere vorhanden sind, stellen eine besondere Gefahrenquelle dar. Hund und Katze lieben es, irgendwo im Weg zu liegen. Übersieht man sie im Dunkeln, ist der Sturz nur bei absoluter Reaktionsschnelligkeit zu verhindern. Bequeme Schuhe mit festen Sohlen geben gute Bodenhaftung und stützen den Fuß.
Ein besonders sinnvolles Hilfsmittel ist der Hüftprotektor (Rölke Pharma, Hamburg). Weiche und doch stabile Softpads werden direkt über dem Oberschenkelhalsknochen getragen. Die federleichten Schalen, die auch nachts problemlos getragen werden können, leiten die beim Sturz auftretende Energie vom Knochen weg in das umliegende Muskelgewebe. Die Compliance der Patienten lässt aber noch zu wünschen übrig. Zwar werden die Hüftprotektoren unterwegs immer häufiger getragen, nicht jedoch zu Hause, wo die Sturzgefahr ebenso hoch ist. So wie die meisten Autofahrer schon fast unbewusst den Sicherheitsgurt vor dem Losfahren anlegen, sollten nicht nur Menschen mit Bewegungs- und Koordinationsdefiziten zum Hüftprotektor greifen. Zwar kann er einen Sturz nicht verhindern, aber sehr wohl die dramatischen Folgen und so zu einem echten Lebensretter werden. Auch wenn es sehr hart klingt, aber wer stürzt ist in den meisten Fällen selber schuld. Deshalb ist es sinnvoll, nach jedem Sturz genau zu überlegen, warum er passiert ist und was man vorbeugend zur Vermeidung des nächsten Sturzes tun kann.
Gelegentlich ein Tänzchen wagen ist ein guter Anfang. Und mit etwas Übung und ein paar Hüftprotektoren steht auch einer kessen Sohle auf dem Parkett nichts mehr im Wege.