Wirbelbruch und Oberschenkelfraktur

Das Krankheitsbild einer ausgeprägten und fortgeschrittenen Osteoporose ist eng verbunden mit möglichen, schwerwiegenden Folgen: den Frakturen der Knochen. Häufig brechen » Wirbelkörper ein oder es kommt zu einer » Oberschenkelhals-FrakturBeides häufig nach zu hoher Belastung - entweder durch das Heben von schweren Lasten oder nach einem Sturz. Was bekannt und dennoch erschreckend ist: oft wird Osteoporose erst nach einem Knochenbruch diagnostiziert - erst danach...

Oberschenkelbruch

Der Oberschenkelknochen ist der größte Knochen unseres Skeletts. Er kann an mehreren Stellen brechen, man unterscheidet dabei je nach der Lage des Bruchspalts Oberschenkelkopf-, Oberschenkelhals- und Oberschenkelschaft-Frakturen.

In etwa zwei Drittel aller Oberschenkelbrüche handelt es sich um einen Bruch, bei dem der Bruchspalt sich weiter oben am Schaft in der Nähe des Hüftgelenkes befindet (proximale Femurfraktur, Oberschenkelhalsbruch).

Die Schenkelhalsfraktur kommt häufig vor und beschreibt einen Bruch im Bereich seines abgewinkelten Halses des Oberschenkels, nahe der Hüfte. Sie ereignet sich häufig bei älteren Menschen, da die Kraft der Muskulatur zur Stabilisierung der Körperhaltung (Balance und Gleichgewicht) abnimmt und auch da die Knochendichte und somit die Stabilität des Knochens oft ebenfalls vermindert ist. Mit zunehmendem Lebensalter kommen auch immer mehr Fälle von Osteoporose hinzu. Das sind drei (gefährliche) Gründe, warum in manchen Fällen ein vergleichsweise leichter Sturz auf die Hüfte ausreicht, um einen Bruch des Oberschenkels oder des Schenkelhalses zu bewirken. Frauen sind etwa 3-4 Mal häufiger betroffen als Männer.

Der Bruch des Oberschenkelhalses (nahe der Hüfte) ist in der Regel sturzbedingt und hat eine Einweisung ins Krankenhaus mit anschließendem operativen Eingriff zur Folge. Auch bei problemlos verlaufender Operation am geschwächten Knochen ist dies besonders in fortgeschrittenem Alter gefährlich:

oberschenkelhalsbruch bei osteoporose

Viele Menschen, vor allem im höheren Alter, bleiben nach einem solchen Bruch behindert. Rund ein Viertel kommt nicht mehr ohne Gehhilfen oder andere Hilfsmittel aus. Ein weiteres Viertel ist auf Plätze in medizinisch betreuten Pflegeheimen angewiesen. Und rund ein weites Viertel, z.B. der über 65-jährigen Frauen, die einen durch Osteoporose bedingten Oberschenkelhalsbruch erleiden, weisen eine im Altersvergleich signifikant hohe Todesrate auf.

Auch wenn sich einem Oberschenkelbruch nicht eindeutig vorzubeugen ist, ein » Bewegungstraining zur Stabilisierung der Körperhaltung (Gleichgewicht) bringt viel, ebenso Maßnahmen zur » Sturzprophylaxe

Während die, nach einer Schenkelhalsfraktur häufig erfolgte Operation mit Implantat eines Nagels oder ggf. gleich einer künstlichen Hüfte (Hüft-TEP / künstlicher Hüftgelenkersatz, um Folge-Operationen zu vermeiden) relativ bekannt ist, wollen wir im Folgenden noch operative Verfahren zur Stabilisierung der Wirbelkörper nach Osteoporose-bedingten Frakturen kurz beleuchten.

Wirbeleinbruch

Eine gefürchtete Folge einer schweren Osteoporose: ein Wirbelbruch oder auch Wirbelkörperfraktur genannt. Das muss nicht radikal, auf einmal durch eine extreme Belastung oder einen Sturz kommen, das geht oft auch langsam durch Sinterung (langsames Einsacken der Wirbelkörper durch Nachgeben der Trabekel, der Knochenbälkchen im Inneren der Wirbelkörper). Es bildet sich oft ein Keilwirbel oder einzelne Wirbel der Wirbelsäule sacken in sich zusammen. Nicht immer, aber häufig eine schmerzhafte Angelegenheit - und mit der Verformung eines einzelnen Wirbels ist es zumeist nicht getan, weitere Brüche können folgen. Welche Brüche sind häufig? Welche Operationen versprechen Linderung?

wirbelkoerperfraktur wirbelbruch wirbeleinbruch

...soweit sollte es nicht kommen: eine Wirbelkoerper-Fraktur bei Osteoporose

Wie entsteht ein Wirbeleinbruch?

Meist ist es kein einzelner abrupter Bruch, sondern ein langsames Zusammenbrechen im Innenraum, viele kleine Mikrofrakturen der » feinen Knochenbälkchen (Trabekel). Häufigstes Symptom sind extrem starke Schmerzen über dem verletzten Wirbel, die oft in den ganzen Rücken ausstrahlen. Im gesunden Knochen ist die tragende Struktur (Trabekel) viel dichter, im kranken Knochen sind die feinen Knochenbälkchen ausgedünnt und zum Teil gebrochen. Die Anzahl und Größe der Trabekel und wie diese miteinander verbunden sind, machen die » Tragkraft des Knochengewebes aus. Wo weniger Struktur und Tragkraft ist, ist auch weniger Belastungsfähigkeit und weniger Widerstand - der Knochen bricht leichter.

Sowohl akute als auch schleichende Brüche führen unbehandelt zu erheblichen Behinderungen, häufig verbunden mit einer Abnahme der Körpergröße um mehrere Zentimeter – auch, weil es meist nicht bei einem Bruch bleibt. Es folgen weitere. Mehrere Frakturen führen dann oft zu einer übermäßigen Krümmung der Wirbelsäule – früher hat man das "Witwenbuckel" genannt.

Typische Brüche

Je nach Ausprägung und Form des einzelnen Einbruchs werden 3 optisch (am Röntgenbild sehr markante) Typen von Frakturen unterschieden: "Fischwirbel", ein Wirbeleinbruch mit Sinterung des zentralen Bereichs, der Wirbel gibt mittig nach. "Keilwirbel", hier ist der nach vorne zeigende Teil des Wirbels eingebrochen während der Wirbeleinbruch im hinteren Teil nicht signifikant ist. "Plattwirbel" oder "Kompressionswirbel", der komplette Wirbel ist zusammengesackt.

wirbelkoerper fraktur - fisch, keil, platt, wirbel

Typen von Wirbelkoerperfrakturen (Osteoporose Manual, © Prof. Dr. Reiner Bartl)

Behandlung eines Wirbeleinbruchs

Normalerweise werden derartige Frakturen (nach einer akuten Phase von etwa zwei Wochen) mit leichter Bewegung und physikalischer Therapie behandelt. Die Ausheilung dauert ungefähr zwei bis drei Monate. Bei frischen und schmerzhaften Frakturen stehen heute auch operative Methoden zur Aufrichtung des Wirbels zur Verfügung: Der Einbruch sollte realitv frisch ein, noch nicht verknöchert und die Rehabilitation mit medikamentöser und physikalischer Therapie sollte keine zufriedenstellenden Ergebnisse erbracht haben bzw. erwarten lassen. Auch wenn die Schmerzen (zu) stark sind und über Wochen andauern, wenn ein Wirbel z.B. zu einem Keilwirbel deformiert, dann kann eine Operation Erfolg versprechen.

Empfehlenswert ist, einen Eingriff relativ früh durchzuführen, weil erfahrungsgemäß nur dann eine befriedigende Aufrichtung des komprimierten Wirbels gelingt.

Es gibt verschiedene operative Verfahren - alle verfolgen ähnliche Ziele:

  • den Wirbelkörper teilweise wieder aufzurichten
  • neue Stabilität geben und Erhöhung der Tragfähigkeit
  • Schmerzen reduzieren

Die Operation erfolgt in der Klinik, üblicherweise unter Narkose und Röntgen-Sichtkontrolle, der Eingriff ist zumeist minimalinvasiv, d.h. es ist meist nur ein kleiner Eingriff ohne größeren Schnitt:der Patient liegt auf dem Bauch, was die Wirbelsäule und somit auch die einzelnen Wirbel entspannt,der betroffene Wirbelkörper wird mit einer Hohlnadel wieder aufgerichtet und anschließend mit Knochenzement gefüllt oder einem stabilisierenden Träger gestützt

Möglichkeiten der Operation am Wirbelkörper

Vertebroplastie

 

Vertebroplastie

Nach einer Anästhesie wird eine stabile Hohlnadel durch die Pedikel (Bogenwurzeln) des geschädigten Wirbels eingeführt. Dünnflüssiger Knochenzement wird anschließend unter hohem Druck in den Wirbelkörper eingespritzt. Dieser Zement härtet in kurzer Zeit aus und stabilisiert den Wirbel.

Kyphoplastie

 

Kyphoplastie

Kyphoplastie ist eine Variante der Vertebroplastie und das in den letzten Jahren häufigste OP-Verfahren: Vor dem Einbringen von Knochenzement wird ein kleiner Ballon in den Wirbel eingebracht, dann aufgepumpt und so versucht, die durch die Fraktur hervorgerufene Höhenminderung zu beheben. Nach Entfernen des Ballons wird anschließend der erzeugte Hohlraum mit Zement aufgefüllt.

Kyphoplastie.jpg

Wirbelkörper vor (links) und nach Kyphoplastie (rechts)

Vesselplastie

 

Vesselplastie

Ähnlich der Kyphoplastie wird ein Hohlraum im gesinterten Wirbel geschaffen, in den nun noch zusätzlich ein kleines Netz eingebracht wird. Das Netz bildet quasi ein Schutzschild für den Zement, der nun injiziert wird. Das Netz soll ein unerwünschtes Austreten des Füllzements aus dem Wirbel vermeiden.

Titankäfig-Implantat

 

Titankäfig-Implantat

Ein relativ neues Verfahren, bei dem, ebenfalls nach der Entlastung der Wirbelsäule und somit auch der einzelnen Wirbel, durch eine kleine Bohrung ein Titankäfig in den Wirbel eingeführt wird. Dieser Titankäfig wird wie ein Spreizdübel aufgedreht, der Wirbel aufgerichtet und der Käfig mit wenig Zement stabilisiert. Der Käfig verwächst mit dem Knochen und bildet ein stabiles Gerüst.

Titankäfig-Implantat.jpg

 

Dr. Florian Schneider (siehe unten) erläutert das minimal-invasive Verfahren der Titan-Stützkäfig-Implantate: von außen wird ein kleiner Käfig in den Wirbelkörper eingeführt, platziert und mit Knochenzement aufgefüllt - so kann der eingesackte Wirbelkörper aufgerichtet und stabilisiert werden.

Wirbeleinbruch und operative Aufrichtung

Am Beispiel eines Titan-Stützkäfig-Implantates: Durch die Osteoporose-bedingte Verminderung der Knochensubstanz im Alter kommt es häufig zu Brüchen von Wirbelkörpern auch ohne, dass ein Sturzereignis vorangegangen sein muss. Bedingt durch die verminderte Knochendichte ist in vielen Fällen eine "Alltagsbelastung" ausreichend, um einen Wirbelkörperbruch hervorzurufen. In der überwiegenden Anzahl der Fälle handelt es sich hierbei um Brüche der Wirbelkörperdeckplatten mit Beteiligung der Vorderkante des Wirbelkörpers. Unter der Voraussetzung, dass keine Beteiligung der Wirbelkörper-Hinterkante oder der Wirbelkörperbögen vorliegt, sind diese Bruchformen in der Regel als "stabil" anzusehen. Bedingt durch die auf die Wirbelsäule einwirkenden Kräfte kommt es durch die Fraktur des Wirbelkörpers, gepaart mit der reduzierten Knochenqualität, im Verlauf zu einer unausweichlichen Deformierung des Wirbelkörpers. Beginnend mit einem Verlust der Wirbelkörperhöhe an der Vorderseite kann die Deformität ohne adäquate Therapie das Ausmaß eines Keil- oder im Extremfall eines Flachwirbels annehmen. Dies führt bei einem progredienten (weiteren) Höhenverlust unweigerlich zu einer Fehlstellung im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt.

Die teilweise sehr ausgeprägte Schmerzsymptomatik kann oft durch eine alleinige konservative Behandlung in Form einer medikamentösen Schmerztherapie, gepaart mit einer physiotherapeutischen Übungs-behandlung, nicht ausreichend gebessert werden. Dies kann bei einem älteren Patienten mit ohnehin eingeschränkter Mobilität durchaus zu einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit führen.

Seit dem Jahr 2009 wird im Juliusspital Würzburg ein neuartiges operatives Behandlungsverfahren zur Therapie von osteoporotischen Wirbelkörper-frakturen eingesetzt. Über die sogenannte "Schlüssellochtechnik" werden über zwei Hautschnitte (jeweils ca. 1cm Länge) zwei "Stützkäfige" aus Titan in den betroffenen Wirbelkörper eingebracht (siehe Abb.).

wirbeleinbruch operation titankäfig (720).jpg

Abb. in der Reihenfolge von oben links nach unten rechts: Hautschnitt | Einbringen in den Wirbelkörper | nach dem Einbringen wird der Käfig aufgespreizt | und ggf. wird Knochenzement eingebracht | der Wirbelkörper ist nach kurzer Zeit der Ausheilung wieder tragfähig.


 

Die Titanimplantate haben anfänglich eine zylindrische Form und können nach der korrekten Platzierung im Wirbelkörper entfaltet werden (siehe Abb.), so dass sie den gebrochenen Wirbelkörper wie ein Gerüst von innen ausfüllen und stützen. Durch die extrem stabile Konstruktionsform kann zudem eine Wiederaufrichtung des eingesunkenen Wirbelkörpers erreicht werden. Bei extrem osteoporotischer Knochenqualität besteht zudem die Möglichkeit, die Titanimplantate zusätzlich mit einem speziellen Knochenzement aufzufüllen, um so bedarfsweise eine zusätzliche Festigkeit im sehr weichen spongiösen Knochen (schwammartige Knochensubstanz im Innern des Wirbelkörpers) zu erzielen. Dies ist jedoch nur in wenigen speziellen Fällen notwendig.

Im Vergleich zu einer Ballon-Kyphoplastie, bei der nach Aufrichten des Wirbelkörpers mit einem Ballon eine deutlich größere Zementmenge eingebracht wird, besteht der große Vorteil dieses Systems darin, dass eine knöcherne Ausheilung des Wirbelkörperbruchs erreicht wird und in der überwiegenden Zahl der Fälle das zusätzliche Einbringen von Knochen-zement nicht erforderlich ist.

Im Gegensatz zur Ballon-Kyphoplastie kann somit die Elastizität des operierten Wirbelkörpers erhalten werden, wodurch deutlich weniger osteoporotische Brüche der angrenzenden Wirbelkörper (sog. Anschlussfrakturen) auftreten. Diese Anschlussfrakturen treten gehäuft deshalb auf, da der kyphoplastierte Wirbelkörper durch die große Menge des eingebrachten Zements extrem hart und unelastisch wird. Liegt nun bei einer Osteoporose eine reduzierte Knochenfestigkeit vor, dann kann es zu einem Bruch der benachbarten Wirbelkörper kommen, da diese vom "zementgefüllten" Wirbelkörper eingedrückt werden. Muss in Ausnahme-fällen bei den Titanimplantaten zusätzlich Knochenzement eingebracht werden, so besteht ein weiterer Vorteil dieser Operationsmethode darin, dass - bedingt durch die deutlich geringere Zementmenge - trotzdem eine Restelastizität des Wirbelkörpers erhalten werden kann. Daher kann das Verfahren in einer Operation auch problemlos an mehreren betroffenen Wirbelkörpern angewendet werden.

---

Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Alexander Beck, Dr. Florian Schneider
Stiftung Juliusspital Würzburg
Abteilung für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Juliuspromenade 19
97070 Würzburg
Email: unfallchirurgie@juliusspital.de

© Bildquelle Illustrationen: Alphatec Spine Inc., Carlsbad

 

 

» Selbsthilfe